Liebe katechetisch Tätige / liebe Religionslehrpersonen

Ein Lehrplan für beide Landeskirchen im TG

Unsere Gegenwart ist gekennzeichnet von einer kulturellen und religiösen Vielfalt, die sich auch auf Kinder und Jugendliche auswirkt. Umso bedeutender werden in Religionsunterricht und Katechese Angebote, die ihnen dabei helfen, durch eine alltagsnahe Glaubenskompetenz mit der weltanschaulichen Vielfalt umzugehen.

Die Kirchen vergewissern sich regelmässig, dass ihre religionspädagogische Arbeit am Puls der Zeit bleibt. Als eine solche Vergewisserung versteht sich auch der vorliegende Lehrplan für den konfessionellen und ökumenischen Religionsunterricht im Kanton Thurgau. Er ersetzt den konfessionellen, stoffzentrierten Lehrplan der evangelischen Landeskirche Thurgau von 2012 und den konfessionellen, stoffzentrierten Unterrichtsplan für den katholischen Religionsunterricht im Thurgau von 2004 (Primarschule) bzw. 2009 (Sekundarstufe I), und passt sich damit auch dem neuen, kompetenzorientierten Lehrplan Volksschule Thurgau von 2016 an.

Der vorliegende Lehrplan basiert auf der Kompetenztabelle und den Planungshilfen des Lehrplans für Religionsunterricht und Katechese, der durch das Netzwerk Katechese Deutschschweiz erarbeitet wurde (www.leruka.ch).

Die Anpassung an den Kanton Thurgau und Ergänzung mit detaillierten Umsetzungshilfen erfolgte durch eine ökumenisch zusammengesetzte Arbeitsgruppe, in alphabetischer Reihenfolge: Tobias Arni, Murielle Egloff, Karin Flury, Rahel Frei, Marlis Grob, Ingrid Häberlin, Rolf Meierhöfer, Monika Pallmann. Unterstützt wurde die Arbeitsgruppe durch die Mitarbeit von Sandra Bachmann, Christine Brügger, Micha Häberlin, Eduard Ludigs, Ruth Pfister, Jmerio Pianari, Daniel Ritter, Barbara Schicker, Olivier Wacker und David Wakefield.

Geltung / In-Kraft-Setzung

Dieser Lehrplan gilt für den konfessionellen und ökumenischen Religionsunterricht im Kanton Thurgau und für den katholischen Religionsunterricht der katholischen Landeskirche Schaffhausen. Er wird auf den 1. August 2021 in Kraft gesetzt, auf katholischer Seite durch das regionale Bischofsvikariat nach Rücksprache mit den katholischen Kirchenräten TG und SH, und auf evangelischer Seite durch den evangelischen Kirchenrat TG.

 

Konfessionelle und ökumenische Lesarten des neuen Lehrplans
 
Der neue Lehrplan Religionsunterricht der Landeskirchen Thurgau kann sowohl konfessionell als auch ökumenisch verwendet werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich das Verständnis, und damit auch der Gebrauch des Lehrplans, konfessionell unterscheidet.

Katholische Lesart

Der Lehrplan verbindet die beiden Bereiche Religionsunterricht und Katechese. Das heisst, dass er zusammen mit dem Leitbild Katechese im Kulturwandel als ganzheitliches, religionspädagogisches Konzept verstanden werden kann.
Darum werden im Lehrplan auch die Zyklen 0 (Vorschulkinder) und 4 (Junge Erwachsene) aufgenommen, deren Kompetenzen für den Aufbau und die Weiterentwicklung der Kompetenzen ausserhalb der obligatorischen Schulzeit gedacht sind.
Die Kompetenzbereiche betreffen sowohl den schulischen als auch ausserschulische Lernorte. Dabei haben die ersten drei Kompetenzbereiche A bis C in den Zyklen 1 bis 3 klar den Fokus auf den schulischen Bereich. Die Kompetenzbereiche D bis F weisen über den schulischen Bereich hinaus.
Der Lehrplan macht also auch Angebote zu liturgischen und sakramentalen Feiern und der Jugendarbeit in der Pfarrei.

Evangelische Lesart

Der Lehrplan ist ein Lehrplan für den Religionsunterricht, von der 1. bis zur 8. Klasse. Er betrifft nicht das kirchliche Feiern, die Jugendarbeit und den Konfirmationsunterricht. Diese Bereiche sind im gesamtreligionspädagogischen Konzept der evangelischen Landeskirche Thurgau, «Kirche, Kind und Jugend» separat geregelt. Der Kirchenrat legt im Lehrplan verbindliche Inhalte fest mit denen Kompetenzen erreicht werden müssen. Diese verbindlichen Inhalte sind in den Umsetzungshilfen mit einem roten V markiert.

Ökumenische Lesart

Wo in Kirchgemeinden bzw. Pfarreien ökumenischer Religionsunterricht am Lernort Schule angeboten wird, gelten die Kompetenzen der Zyklen 1 bis 3.
 
Die christliche Religion lebt in Gestalt konkreter Konfessionen. Die Katechese und der konfessionelle Religionsunterricht haben daher den Anspruch, die Kinder und Jugendlichen mit ihren eigenen religiösen Traditionen und Überzeugungen zu konfrontieren. Sie wollen aber auch zur Auseinandersetzung mit anderen Konfessionen herausfordern. Daher treten konfessionelle Identität und ökumenische Verständigung in eine förderliche Wechselwirkung. Ein ökumenisch-kooperativ erteilter Religionsunterricht wird auch in Zukunft eine sinnvolle Ergänzung zum bekenntnisunabhängigen Unterricht bilden, so wie auch Kooperationen in der Katechese wertvoll sind, zumal Kinder oftmals in gemischt-konfessionellen Familien aufwachsen.
 
Zusammenarbeit mit der Volksschule Thurgau
 
Die Volksschule reagiert im Rahmen des Lehrplans 21 auch auf die Herausforderung religiöser Pluralisierung und hat dazu einen "bekenntnisunabhängigen" Unterricht mit den Perspektiven Ethik, Religionen und Gemeinschaft vor.
Im kirchlichen Lehrplan werden Bezüge zu den Kompetenzen des Lehrplans Volksschule Thurgau verlinkt. In den Zyklen 1 und 2 sind sie im Bereich Natur, Mensch, Gesellschaft (NMG) und im Zyklus 3 im Bereich Ethik, Religionen, Gemeinschaft (ERG) ausgewiesen. Noch mehr als heute ergeben sich erweiterte Zusammenarbeitsmöglichkeiten zwischen Schul- und Kirchgemeinden, bzw. zwischen Volksschul- und Religionslehrpersonen. Absprachen werden wichtiger, damit gegenseitig Synergien genutzt werden können. Für die Schule kann das religiöse Fachwissen der Religionslehrpersonen und katechetisch Tätigen bereichernd sein, für die Religionslehrpersonen und katechetisch Tätigen bietet die Zusammenarbeit mit Lehrpersonen der Volksschule die Möglichkeit einer gewinnbringenden Vernetzung, die den Schüler*innen zu Gute kommen kann.
Kompetenzorientiertes Lehren und Lernen

Kompetenzorientiert - was heisst das?

Der neue Lehrplan zeigt, wie Kinder und Jugendliche religiöse Kompetenzen erwerben können. Kompetenzen sind verfügbare oder erlernbare Fähigkeiten, um konkrete Herausforderungen zu lösen und ihre Um- und Mitwelt aktiv zu gestalten. Dazu zählen unterschiedliche Ressourcen wie Verständnis (kognitives Vermögen), Haltungen und praktische Fertigkeiten. Die Kompetenzorientiertheit ist ein Perspektivenwechsel in der Gestaltung von Lehrplänen.
 
Im Hinblick auf religiöse Kompetenzen ist dabei festzuhalten, dass sie mehr sind als nur messbares Wissen oder ein Bündel erlernbarer Fähigkeiten zur Problemlösung. Vielmehr beziehen sie sich auf das Ganze der sich entwickelnden Persönlichkeit. Andererseits ist in Bezug auf das religiöse Lernen wichtig, dass Kompetenzen nicht in erster Linie Teil einer Persönlichkeitstheorie sind, sondern Elemente einer Bildungstheorie.
 
Gerade für das kompetenzorientierte Lernen im konfessionellen Religionsunterricht und in der Katechese gilt, dass es Lerngegenstände bzw. Inhalte braucht, bei denen die Kompetenzen erworben werden können. Die Erweiterung des Wissens um die Haltungen und die praktischen Fertigkeiten wertet das Wissen nicht ab, sondern trägt zu dessen Festigung bei.
 
Weil Religionsunterricht und Katechese als zielgerichtete Lehr-Lern-Prozesse letztlich auf die selbstbestimmte Gestaltung der eigenen Glaubenspraxis abzielen, ist eine kompetenzorientierte Gestaltung naheliegend.
 
 

Kompetenzorientierte Aufgabenstellungen

Entscheidend für die Umsetzung sind kompetenzorientierte Aufgabenstellungen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die Aufgabenstellung produktiven Charakter hat. Kompetenzorientierte Aufgabenstellungen sind dabei an gewisse Voraussetzungen gebunden:
 
  • Sie setzen bei einer Frage mit aktuellem, lebensweltlichem Bezug oder mit der Begegnung einer für die Kinder und Jugendlichen interessanten Sache an;
  • Sie ermöglichen aktives und entdeckendes Lernen;
  • Sie lassen Raum für Mitbestimmung und eigene Steuerung bei Lerninhalten und Lernwegen;
  • Sie fordern die Kinder und Jugendlichen auf, ihre Erkenntnisse in unterschiedlichen Formen festzuhalten und zu dokumentieren, selbst zu erzählen und erklären;
  • Sie regen zu Stellungnahmen, Beurteilungen oder Handlungen an;
  • Sie ermöglichen das Nachdenken über den Glauben, die Welt und über das Lernen selbst;
  • Sie fördern das eigene Entwickeln, Gestalten und die Mitwirkung bei Vorhaben.